Teil 5 – Tongariro und Maori Sylvester Stallone

Wir schlafen aus und hängen noch einige Zeit im Camper rum. Die Sonne scheint schon volle Kanone und unser Platz am Lake Taupo ist einfach genial. Zum Frühstück gibts das Übliche, Toasts mit Orangenmarmelade, Erdbeermarmelade und dazu einen feinen Instant Coffee. Mittlerweile haben wir einen optimalen Auf- und Abbauprozess für das Bett und die Taschen gefunden, wodurch morgens und vor allem den Tag über nicht mehr ständig Platznot herrscht. Wir fahren noch schnell Einkaufen in der nahegelegen Stadt Taupo, bevor wir den Tongariro Nationalpark, ein weiteres Highlight unserer Reiseroute, ansteuern wollen.

Mit einer Lammkeule und frischem Lachs (nom nom) landen heute einige Schmuckstücke in unserem Einkaufswagen. Dazu gibt es Spargel, Süßkartoffeln, Bier, Ginger Ale und viele verschiedene Konservendosen… Sachen, die sich die nächsten Wochen mehr und mehr zu wichtigen Grundnahrungsmitteln mausern werden (also das Gemüse). Wir verräumen alles und machen uns auf die Piste. Einen kurzen Halt machen wir noch bei den örtlichen Huka Falls, die einen Ablauf des Lake Taupo bilden, bei dem enorme Wassermengen durch einen engen Canyon gequetscht werden.

Route 5

  • Wie weit?

    114km

  • Wohin?

    Tongariro Nationalpark

  • Wann?

    11. – 12. Dezember 2015

Es folgt eine fantastische Fahrt entlang des Lake Taupos in Richtung Nationalpark mit seinen aktiven Vulkanbergen Tongariro und den beiden anderen, deren Namen ich weder aussprechen, geschweige denn mir merken kann. Unsere Reiseführer verraten uns, dass sich ein Besuch des Gebiets nur bei gutem Wetter lohnt, da sich Wolken dort gerne in den Bergen verfangen und man dann bei schlechtem Wetter schnell keinerlei Sicht mehr hat. Umso mehr freuen wir uns, so ein hervorragenden Wetter mitbringen zu können.

Für den Nationalpark haben wir uns drei Tage eingeplant, mit dem Vorhaben, dort den bekannten Tongariro Alpine Cross zu laufen, eine etwa 19km lange Tagestour über die Krater der Vulkane. In einem Vorort des Nationalparks angekommen, besuchen wir das Touristencenter, um uns aktuelle Wettervorhersagen und Routeninformationen über die Wanderung abzuholen.

Vor Ort dann die Ernüchterung: Die nächsten Tage werden ausschließlich Regen und starke Winde vorhergesagt, ohne Pause und ohne einen Lichtblick. Nach kurzer Beratung mit einer Angestellten beschließen wir, unser Glück gleich am nächsten Tag zu versuchen, da ganz früh am Morgen die Bedingungen möglicherweise noch ‚ok‘ sind. Wir buchen einen Early-Bird Transport um 6 Uhr morgens vom Ende des Tracks zum Startpunkt, um letztendlich direkt nach der Wanderung wieder am Camper anzukommen. Da wir früh dann auch noch vom Campingplatz zum „Bus“ kommen müssen, graut’s mir schon jetzt vor einer sehr kurzen Nacht.

Wir fahren weiter in den Nationalpark hinein und eine scheinbar niemals enden wollende Straße mit mindestens 30%iger Steigung hinauf. Eine Tortur für Kermit, der sich zwar auf geraden Strecken gut schlägt, bergauf aber böse an seine Grenzen kommt. Als wir schließlich im zweiten Gang und mit 30L weniger Benzin oben ankommen, ist es auch nur noch ein Katzensprung bis zu unserem Naturcampingplatz inmitten des Parks. Dort angekommen brate ich den Lachs in einer Sahnesoße, koche Süßkartoffeln und Spargel, während der Himmel sich mehr und mehr zuzieht. Wir trinken noch ein zwei Bierchen, packen unsere Sachen für den nächsten Tag und versuchen früh zu schlafen.

Viel zu früh klingelt dann auch schon der Wecker. Das Aufstehen fällt nicht wirklich leicht, wenn man vor einer langen Wanderung schon morgens die Regentropfen auf das Dach des Campervans fallen hört. Wir quälen uns trotzdem raus und machen uns auf den Weg. Es ist noch dunkel, was nicht nur der Uhrzeit geschuldet ist, denn draußen es ist gnadenlos bewölkt, nebelig und kalt.

Wir gehen fast davon aus, dass unser gebuchter Early-Bird Transport nicht fahren wird, da die Unternehmen bei schlechten Bedingungen die Fahrten den Wanderern „zuliebe“ absagen. Aber wir haben Glück, am Treffpunkt angekommen wartet bereits unser Fahrer im Minivan, ein echter Maori Sylvester Stallone. Die dunklen, gesträhnten Locken, das ausdruckslose Gesicht und am Steuer sitzend, stellt man sich zwangsläufig vor, wie er sich mit Machete in der Hand und Sturmgewehr auf dem Rücken einen Weg durch den Urwald bahnt.

Wir sind heute (wenig überraschend) seine einzigen Fahrgäste, deswegen geht’s auch gleich los. Auf der etwa 20 Minuten andauernden, morgentlichen Rallye-Testfahrt unseres Fahrers, macht das Wetter keinen Anstand besser zu werden und als wir unser Ziel erreichen, hat sich die Sicht auf etwa 20m reduziert. Wir treffen letzte Vorbereitungen an der Regenkleidung und wollen schon loslaufen, als Stallone aus heiterem Himmel (ein unpassendes Wortspiel) anfängt, uns auf Maori zu besingen und die Berge gutmütig auf unser Eintreffen einzustimmen. Eine Prozedur, die etwa 2 Minuten dauert, bevor er noch ein Foto von uns macht und sich mit den Worten „in case you get lost…“ verabschiedet.

Es hilft ja alles nichts und so machen wir uns auf den Weg den Alpine Cross zu bezwingen.

Die ersten paar Kilometer führen mit wenig Anstieg durch den kalten, mit Regen gemischten Nebel. Nach einer guten halben Stunde wird der Aufstieg immer steiler und letztendlich kommen wir an dem Punkt an, wo der Weg nur noch in Form einer Treppe weiter und weiter den Berg hinauf geht. Hier steht noch ein letztes Warnschild, das mit einer Checkliste noch einmal eindringlich die Leute aufzuhalten versucht, die rein konditionell oder von ihrer Ausrüstung her den Aufstieg spätestens hier abbrechen sollten. Kümmern tut das allerdings wenige und so trifft man auch hunderte Höhenmeter später Jugendliche mit dicken, völlig durchnässten Baumwollpullovern und Jeanshose, ohne jeglichen Schutz vor Regen und der zunehmenden Kälte am Berg… Lungenentzündung olé.

Mittlerweile die 7km Marke passiert, kämpfen wir uns weiter Stufe für Stufe den Berg hinauf. Zwischendurch gönnen wir uns eine kurze Pause mit Bananenbrot und Müsliriegeln, bevor wir uns wieder aus dem Windschatten eines großen Felsens heraus begeben und weiter Stufe für Stufe erklimmen. Der Regen ist inzwischen deutlich stärker geworden und kommt mit einer geschmeidigen Wucht regelmäßig und nicht nur von oben, sondern von allen Seiten. Trotz Regenkleidung wird es zunehmend kälter und das Gesicht wird langsam aber sicher immer tauber. Nach einer Weile erreichen wir eine große Ebene, die sich durch den Regen in ein riesiges Matschfeld mit der Anmutung einer nassen Marslandschaft verwandelt hat. Außer dem Matsch sehen wir nicht viel und folgen weiter den Wegmarken, bevor es nach einigen hundert Metern wieder weiter bergauf geht. Später am Tag werden wir sehen, dass wir zu diesem Zeitpunkt einen der alten Krater überquert haben.

Es dauert nicht lange bis uns einige Wanderer entgegen kommen, mitunter die junge Dame im Baumwollpullover, die es zu meiner Überraschung immer noch auf den Beinen hält. Wir kommen mit einigen aus der Gruppe ins Gespräch und erfahren, dass die Sicht oben zu schlecht und der Wind zu stark ist, um vorwärts zu kommen. Das Hauptproblem sind aber vor allem die Wegmarkierungen, die man (scheinbar am Rande des Kraters) nicht mehr sieht.

Doch Julia und ich sind ja nicht zwei Stunden die ganzen Stufen hochgestiegen, um uns nicht selbst davon zu überzeugen, dass es oben nicht weiter geht und so machen wir uns an die letzten Höhenmeter Richtung (vermuteter) Gipfel. Der Wind legt noch eine Stufe zu und der Weg gleicht ab dieser Höhe nur noch einem Gemisch aus Schlamm und Felsbrocken. Oben angekommen fühlen wir den Grund warum die anderen Gruppen den Weg hier abgebrochen haben. Ganz abgesehen von der fehlenden Sicht, wehen hier stoßweise Sturmböen über den Bergkamm, dank denen man ganz schnell eine Abkürzung in Form eines freien Falls nach unten nehmen kann. Nach einiger Überlegung entscheiden auch wir uns schweren Herzens, den Weg an dieser Stelle abzubrechen und aufgrund nicht vorhandener Unterschlüpfe und der aussichtslosen Bedingungen direkt den Rückweg anzutreten. Nach und nach kommen uns immer mehr Wanderer entgegen, klatschnass und zum Teil mit den wildesten Outfits. Viele fragen nach den Konditionen am Gipfel, aber letztendlich möchte sich trotz der schlechten Nachrichten natürlich jeder selbst überzeugen ;).

Etwa 1,5 Stunden und hunderte Treppenstufen später, laufen wir die letzten Kilometer des Weges, der durch die zeitweise sehr stark an die Totensümpfe aus ‚Herr der Ringe‘ erinnernden Moorlandschaft führt. Mittlerweile ist es (zumindest auf dieser Höhe) leicht aufgeklart und für einen kurzen Moment und zu unser beider Groll schaut auch fast die Sonne durch die dicke Wolkendecke… Früher Vogel, du kannst uns. Zurück am Startpunkt des Tracks treffen wir in etwa die gleichen Leute, die wir auch morgens beim Starten gesehen haben.

Wir haben Glück und können uns zusammen mit anderen Wanderern eine Transportmöglichkeit zurück zu Kermit organisieren, den wir ja eigentlich zu Fuß erreichen wollten. Etwas gefrustet und verfroren kommen wir am Camper an und machen uns direkt auf den Weg zu einem nahegelegenen, mit warmer Dusche und Strom ausgestatteten Campingplatz. Wir grillen uns noch unsere Lammkeule, waschen Wäsche und fallen anschließend ins Bett, bevor wir uns mit einigen Folgen ‚Better Call Saul‘ in den wohlverdienten Schlaf wiegen lassen.

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