Der W-Trek – Wandern im Torres del Paine Nationalpark – Teil 3
Nach meiner morgendlichen Fotorunde trödeln wir noch lange am Camp rum, frühstücken in Ruhe und schrauben noch ein wenig an unserer Routenplanung. Schließlich wandern wir los und dabei noch eine ganze Weile zwischen dem Lago Nordenskjöld und den Bergketten der Los Cuernos durch. Immer wieder begegnen wir Gauchos mit Pferden, die Gas, Nahrungsmittel, Getränke und auch mal Wanderrucksäcke zu den Refugios schleppen.
Der Weg führt uns durch offenes Gelände mit schönen Ausblicken und ist angenehm zu laufen, wodurch die Etappe wie im Fluge vergeht und wir bald unser Tagesziel, den Zeltplatz “Las Torres” erreichen. Auf dem riesigen Campingplatz ist nicht viel los und wir finden problemlos ein Plätzchen für unser Zelt, sogar mit Ausblick auf die Torres del Paine. Diese Gegend ist allerdings auch sehr stark von Tagesausflüglern frequentiert, da es ein möglicher Start- und Endpunkt des W-Treks ist und dadurch regelmäßig von Bussen angefahren wird.
Für den Zeltabbau am nächsten Morgen brauchen wir erstmals etwas länger, denn über Nacht wurde es von hunderten kleiner Läuse überrannt. Die haben es zwar glücklicherweise nicht ins Innenzelt geschafft, machen aber widerliche Flecken wenn man sie einfach “platt drückt”, daher sind wir am Zelt schütteln was das Zeug hält, um die Biester los zu werden. Die anstehende Etappe zu den Torres del Paine hat es nochmal in sich, vor allem die ersten und die letzten Kilometer gehen stramm den Berg hoch. Während wir uns Schritt für Schritt nach vorne kämpfen, ziehen immer mehr Wolken auf und es fängt an zu regnen, was uns ein paar Sorgen bereitet. Unser Etappenziel liegt noch ein paar hundert Höhenmeter über uns und falls es weiter dermaßen zu zieht, haben wir keine Chance überhaupt einen Gipfel zu sehen. Kurz darauf am Bergkamm gesellt sich zum Regen noch ein starker Wind, der uns von vorne ordentlich kalte Luft entgegen bläst und das Wandern mehr und mehr unangenehm macht.
Genervt folgen wir dem Weg durch ein Tal, bis wir an einem weiteren Refugio (“Chileno”) vorbei kommen und eine kurze Pause einlegen können, bevor wir die letzten fünf Kilometer bergauf wandern und das CONAF “Campamento Torres” erreichen. Nach kurzer Absprache mit dem dortigen Ranger (man braucht hier, ebenso wie dem anderen CONAF Campingplatz, eine kostenfreie Reservierung) bauen wir unser Zelt auf und stärken uns mit Spagetthie “Bolognese”. Von hier aus ist es noch eine dreiviertel Stunde Fußmarsch bis zu den “Torres del Paine”.
Nach dem Essen sieht die Welt plötzlich schon ganz anders aus! Die größten Wolken haben sich verzogen, die Sonne kommt raus und auf einen Schlag wollen die Beine dann doch wieder los, die letzten Höhenmeter bis zum “Mirador de las Torres” erklimmen. Wir packen ein kleines Gepäck zusammen und machen uns an den 45 minütigen Aufstieg. Es geht steil bergauf über Bäche und Geröll, bis wir endlich den Mirador erreichen. Die Aussichts ist fantastisch! Die drei Gipfel der “Torres del Paine” ragen majestätisch aus dem Bergmassiv, scheinen geschmückt mit Schnee- und Eismassen.
Vor ihnen liegt ein Gletschersee dessen Wasser von der Sonne angestrahlt kräftig hellblau leuchtet. Ein wirklich wunderbares Tourenziel für die anstrengenden Tage. Auch das Wetter hält sich weiterhin; zwar taucht hier und da eine große Wolke auf, aber wir haben eine hervorragende Sicht auf die Türme, die zwischen 2600 und 2800 m hoch sind und zur Hochsaison sogar beklettert werden können. Gegen den vorherrschenden eisigen Wind ziehen wir uns schnell etwas dickes drunter und genießen ewig lang die Aussicht. Ich nehme mir vor, am nächsten Morgen zum Fotografieren nochmal her zu kommen und suche mir dafür ein paar geeignete Spots in dem nicht abgegrenzten Areal, das in etwa so groß ist wie ein Fußballfeld.
Zurück im Camp wollen wir es uns gerade im Zelt gemütlich machen, als ich plötzlich merke, dass wir Besuch haben! Wenige Meter neben unserem Platz hat es sich ein Andenfuchs bequem gemacht, der unser Treiben ganz neugierig beobachtet. Wir können ihn eine Weile bestaunen, bevor er im Unterholz verschwindet und erst einige Minuten später wieder im Camp auftaucht und völlig unbemerkt zwischen den circa 20 anwesenden Campern hindurch schleicht.
Kurze Zeit später wird mir leider klar warum der Fuchs so zutraulich ist… auf dem Weg zum Kochbereich begegne ich einer Wanderin, die ihre ~500g überflüssig gekochten Nudeln mitten im Camp kurzerhand unter einen Baum schüttet, mit ein wenig Laub bedeckt und die Sache somit für sie erledigt ist… :( genug “Leute” für heute, wir gehen schlafen.
Der Wecker steht auf 5 Uhr, aber ich werde schon früher wach. Ständig leuchten Taschenlampen vom Zeltplatz wirr hin und her und auch in unser Zelt. 4:50 am Morgen… eigentlich würde ich gerne liegen bleiben im warmen Schlafsack, aber die Fotografie ruft.
Ich ziehe mich schnell an, schnappe mir meine zurechtgelegten Sachen, knipse auch meine Stirnlampe an und mache mich auf den Weg: Raus aus dem Camp und ran an den Berg, den “45 Minuten Aufstieg” zum Mirador. Es ist noch stockdunkel, außer ein paar Sterne und leuchtende Punkte, die auf dem Weg nach oben zum Aussichtspunkt zu laufen scheinen, ist nicht viel zu sehen. Ich komme gut voran, will mich auch ein bisschen warm laufen gegen die Kälte.
Ich habe etwa die Hälfte der Strecke geschafft als ich aus einem bewaldeten Gebiet rauskomme und nun im offenen Gelände nach oben laufe. Beim Umschauen sehe ich, dass hinter mir der Himmel von Sonnenstrahlen schon dunkel Orange gefärbt ist. Die Bedingungen am Mirador oben scheinen gut zu sein, vereinzelt sind noch Sterne zu sehen also ist der Himmel klar, doch ich spüre Zeitdruck, Angst zu spät zu kommen und aufgrund von ein paar Minuten mein Ziel zu verpassen. Ich lege einen weiteren Zahn zu, hetze den Berg hoch, überhole noch ein paar “frühe Vögel” und erreiche schließlich rechtzeitig den Mirador und mein ausgegucktes Plätzchen.
In Ruhe kann ich noch mein Stativ und die Kamera aufbauen, während sich der Himmel Stück für Stück aufhellt und die ersten Wolken anfangen rot zu leuchten. Hinter mir im Tal geht die Sonne auf und strahlt die Torres del Paine leuchtend rot an, die sich im blau scheinenden Gletschersee reflektieren und ein wunderbares Bild ergeben. Mit dem Ergebnis meiner Fotos bin ich absolut zufrieden, aber auch der Moment ist für die Ewigkeit: Absolute Stille, klirrende Kälte und nur die wärmenden Sonnenstrahlen die auf die Berggipfel treffen. Die Torres zeigen sich auch heute morgen wieder von ihrer besten Seite.
Ein toller Abschluss für den W-Trek!
Nach einer guten Stunde mache ich mich auf den Rückweg, denn besser kann das Licht nicht mehr werden. Zurück am Camp, frühstücken wir ein letztes mal Crunchies mit Kaba bevor wir das Zelt abbauen und uns frohen Mutes auf den Abstieg begeben. Nach gut 2,5 Stunden erreichen wir erneut das Refugio Las Torres, wo wir auf den Bus nach Puerto Natales warten müssen und die erfolgreiche Wanderung mit ein paar Drinks ausklingen lassen.
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