Der W-Trek – Wandern im Torres del Paine Nationalpark – Teil 1
Der Wind bläst von vorne mit aller Kraft, wir haben Mühe mit den großen Rucksäcken das Gleichgewicht zu halten. Plötzlich stoppt er – fast falle ich nach vorne um. Aber es ist schon die nächste Böe im Anmarsch und ich schaffe es doch noch irgendwie, mich auf den Beinen zu halten. Die Aussicht auf die uns umgebende Landschaft entschädigt aber mühelos für die aktuelle Witterung, denn wir haben einen hervorragenden Blick auf den „Lago Grey“ und seinen Zulauf, den großen Grey Gletscher. Dieser ist zudem das heutige Etappenziel auf unserer ersten, großen Mehrtages-Wanderung in Patagonien, dem W-Track im Torres del Paine Nationalpark.
Heute morgen saßen wir noch gepflegt mit Rühreiern und Marmeladentoast beim Frühstück in Puerto Natales, ein Touristenörtchen, das als Eingangstor zum Nationalpark gilt. Mit dem Bus ging es dann um 7 Uhr auf die dreistündige Fahrt, mit Zwischenstopp an der Park Administration zum Ausfüllen von Formularen, Belehrung zum Verhalten (oder Nichtverhalten) in der Natur und letztendlich Bezahlen einer Eintrittsgebühr. Im Bus geht es weiter in das Innere des Parks, im Schritttempo vorbei an einer Stinktier-Familie, die die Straße passieren will und unzähligen Guanakos, die in den Tälern grasen und sich oft im letzten Moment entscheiden, doch noch vor unseren Bus zu springen.
Das nächste Zwischenziel und gleichzeitig der Startpunkt unserer Wanderung, die Lodge Paine Grande, erreichen wir am einfachsten per Fähre über den Lago Pehoé. Mit ständiger Sicht auf die “Los Cuernos” und die Bergspitzen der Anden, die uns die nächsten Tage ständig begleiten werden, setze der Katamaran in einer kurzen Fahrt auf die andere Seeseite über. An der Anlegestelle angekommen, suchen wir uns im Bootsinnenraum aus einem Berg von Wanderrucksäcken die unseren heraus und absolvieren mitsamt vieler anderer Wanderer die ersten Meter der insgesamt gut 90km Wegstrecke.
Wir machen noch einen kurzen Halt, um die Stiefel richtig zu schnüren und die letzten Feinheiten am Rucksack zu justieren, was zudem den Vorteil hat, dass sich bis dahin die Meute ein wenig verteilt hat und wir schließlich in Ruhe laufen können. Unsere Risikofreudigkeit, zu dieser frühen Jahreszeit den Nationalpark zu besuchen, macht sich bisher absolut bezahlt. Es ist ein fantastisches Wetter und trocken, aber das beste ist, die Menge an Wanderern ist verglichen mit der Hochsaison noch absolut erträglich.
Die erste Etappe im Torres Del Paine NP führt uns zunächst durch grüne Gras- und Buschlandschaft, umgeben von Bergen und auf gut zu laufenden Wegen, gespickt mit der ein oder anderen kleineren Steigung. Hinter uns liegt noch einige Zeit der Lago Pehoé, bevor wir nach 5-6 Kilometern in ein Waldgebiet kommen, in dem es leider vor einigen Jahren großflächig gebrannt hat – verursacht von einem cleveren Wanderer, der mal flott sein Toilettenpapier verbrennen wollte.
Einige Höhenmeter später erreicht die Windstärke durch den immer lichter werdenden Wald ihren bisherigen Höhepunkt und kurze Zeit später stehen wir auf der eingangs erwähnten Anhöhe: Genießen den Ausblick und spekulieren, wo der Campingplatz liegt, während wir versuchen gegen den starken Wind anzukämpfen.
Der Weg führt uns nun noch einige Kilometer an einem Berg entlang, durch immer noch vom Brand gezeichnete Wälder und mit stetigem Blick auf den Gletscher bis wir das Refugio und den Zeltplatz „Camp Grey“ erreichen, wo wir unser Zelt aufschlagen und für die nächsten zwei Nächte bleiben wollen. Der Platz ist gut vor Wind geschützt zwischen Bäumen und Bergen gelegen, mit viel Grün und Raum für Zelte. Außer uns finden sich an diesem Abend noch ungefähr 20 andere Zeltschläfer ein, Platz ist wohl für deutlich mehr, ich möchte es aber nicht herausfinden. Wir gönnen uns ein bisschen Ruhe und erkunden dann die nähere Umgebung und den Kochbereich, wo wir auch gleich bleiben, um köstliche Instant-Brokkolie-Käsenudeln zuzubereiten und zu vertilgen.
Den Abend nutzen wir noch und laufen eine kurze Strecke zu einem Mirador, der eine super Sicht auf den Gletscher und eine vorgelagerte Bucht gibt. Hier haben sich einige kleinere Eisberge zusammengefunden, die von der Seite betrachtet deutliche Ähnlichkeiten mit blauen Schlumpf-Pilzhäusern haben. Einige Zeit und Fotos später machen wir uns auf den Rückweg zum Zelt und lassen den Abend mit zwei Tequilla-Shots ausklingen.
Am nächsten Vormittag machen wir uns auf eine Tagestour, die auf eine gewisse Höhe und noch näher an den Gletscher heran führt. Der Weg windet sich in anderthalb Stunden durch dichten Wald und über bis zu 50 Meter lange Hängebrücken, die uns in schwindelerregenden Höhen über die Schluchten des Berges führen. Auch heute ist das Wetter wieder hervorragend und wir haben einen wunderbaren Ausblick auf die Eismassen, die sich unter uns am Berg entlang schieben.
Als es langsam wieder an den Abstieg geht, ist vor allem unser abendliches Vorhaben das vorwiegende Gesprächsthema: Eine Kayaktour auf dem Lago Grey! Aufgrund unserer guten Erfahrungen beim Kayaken in Neuseeland sollte das ein weiteres Highlight unserer Südamerikatour werden. Und so laufen wir nach ausgiebiger Mittagspause im Zelt schließlich den kurzen Weg zum nahe gelegenen Basecamp des Tourenanbieters.
Dort angekommen geht es nach ein paar Formalitäten zum Einkleiden: Neoprenanzug und Spritzschutzjacke gehören beim eiskalten Wasser des Gletschersees zur Standardausstattung, drunter besser noch ein warmes Wollshirt. Natürlich erfolgt auch eine kurze Belehrung, was im Fall der „halben Eskimorolle“ zu tun ist…nein danke, aber abtauchen will ich in dem kalten Wasser hier eh nicht ;).
Einige Trockenübungen mit dem Paddel absolviert und schon steigen wir in unsere 2-Personen-Kayaks ein und legen los. Zusammen mit 6 anderen Kayaks schiebt man uns ins Wasser ehe die Gruppe wie ein paar frisch geschlüpfte Entenküken teils mit Steuer- oder Koordinationsschwierigkeiten den Guides hinter paddelt. Unser Weg führt uns entlang der Küste in Richtung Grey Glacier, vorbei an schwimmenden Brocken hundert Jahre alten Eises, das erst vor kurzem am Gletscher abgegangen ist. In der Sonne schimmert es Hellblau und wir können oft bis auf wenige Meter ran paddeln.
Kurz vor der Abbruchkante des Gletschers geht es in eine Bucht, wo wir die Kayaks an Land bringen und aussteigen können. In voller Seemannskluft geht es über die schroffen Hügel der kleinen Bucht bis auf eine Anhöhe, von der aus wir nur noch knapp 200m vom Gletscher entfernt sind. Hier machen wir Rast und lauschen, beeindruckt von den Dimensionen der Eismassen, auf das laute Krachen im Inneren des Gletschers. In der Abenddämmerung paddeln wir schließlich zurück zum Basecamp.
Weiterführende Informationen
Du möchtest mehr Informationen?
- Bei Julia im Blog geht’s weiter mit ihrem Beitrag zum Kayaking am Grey Gletscher!
- Beim Bergzeit Magazin findet ihr viele Informationen in einem
Artikel rund ums Wandern des W-Treks im Torres del Paine Nationalpark.
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