Der W-Trek – Wandern im Torres del Paine Nationalpark – Teil 2
Der Wecker geht schon früh um 6:30 Uhr. Wir packen langsam zusammen und bereiten uns auf die heutige Etappe vor, die mit 18,5 km vergleichsweise lang ausfällt. Während ich am Rucksack packe, fällt mir mein Süßigkeiten-Sack in die Hände den ich draußen neben meinem Rucksack hatte liegen lassen.
Eigenartig… ein ausgefranstes Loch in der Größe eines Teelichts klafft in der Mitte und erregt meine Aufmerksamkeit. Ich forsche nach, schaue genauer in den Sack in dem ich auf Wanderungen immer einen größeren Vorrat an Snickers, Twix und anderen Süßigkeiten transportiere. Dort die große Entdeckung: Ich finde die spärlichen Reste eines angefutterten Schokoriegels,
inmitten von den kleinteiligen Fetzen seines Verpackungsmaterials – hier ging heute nacht offensichtlich eine Fete mit “Snickers all you can eat”. Der fehlenden Menge nach fällt der Verdacht nach kurzer Absprache mit Julia auf eine Maus, die aber schon über alle Berge zu sein scheint.
Zumindest in meiner Vorstellung habe ich sie jedoch hinter dem nächstbesten Hügel beim Nickerchen liegen sehen, den prall gefüllten Bauch in die Höhe gestreckt, Erdnuss Krümel um den Mund verteilt. Ich schreibe den Verlust ab, habe für die Zukunft daraus gelernt und entsorge den restlichen Riegel im Müll.
Wir stärken uns noch bei einer kleinen Mahlzeit von Frühstücksbrei mit Kaba (als Milchersatz, top!) und Trockenfrüchten, bevor wir uns auf den Weg machen. Laufen macht heute Spaß, denn das Wetter hält sich abermals hervorragend mit wenigen Wolken und ausgiebig Sonne. Nach etwa 6 km kommen wir an einem schräg gewachsenen Baum vorbei, den wir als Sitzgelegenheit für eine Pause nutzen. Nach kurzer Zeit huscht ein Windzug direkt an uns vorbei und zieht die Aufmerksamkeit auf sich:
Ein großer Raubvogel, der sich keine 2 Meter neben uns auf seinen Platz am Baum setzt. Wir beobachten ihn eine Weile und können Fotos machen, bevor er die Flügel ausbreitet und sich wieder auf den Weg macht. Kurz darauf folgen wir ihm, allerdings in gemäßigtem Tempo und zu Fuß, weiter unserer Route folgend in Richtung unserem heutigen Ziel, dem „Campamento Italiano“.
Hierfür laufen wir die komplette erste Etappe zurück, passieren die Fähranlegestelle und die “Lodge Paine Grande” und folgen dem Weg weiter Richtung Osten, immer mit Blick auf die “Los Cuernos” Bergkette. Die folgenden 7 km Strecke entlang dem “Lago Nordenskjöld” ziehen sich dann ziemlich und werden nur kurzzeitig von einem wilden Hasen aufgeheitert, der zunächst um uns herum hoppelt, bevor er unweit von uns entfernt im niedrigen Gras stoppt und das Grasen beginnt.
Schließlich erreichen wir das Campamento Italiano, ein von der CONAF (chilenische Forstbehörde) betriebener Natur-Campingplatz der einerseits kostenlos, andererseits aber auch nur Basic ausgestattet ist. Wir melden uns beim dort ansässigen Ranger an und bauen unser Zelt auf. Meine Hüfte wurde durch die letzte Etappe ziemlich in Mitleidenschaft gezogen und ab dem Zeitpunkt, wo ich den Hüftgurt löse und den Rucksack absetze, kann ich kaum noch laufen – ich hoffe auf ein temporäres Problem. Daher passiert an dem Abend auch nicht mehr viel.
Am nächsten Morgen behalten wir unseren Rhythmus bei und stehen früh auf, um zeitig in unsere anstehende Tagestour in das “Valle del Frances” zu starten. Dort hat man neben den fantastischen Ausblicken auf das Tal selber, zudem die Möglichkeit aus der Ferne einen ersten Blick auf die “Torres del Paine”, also die namensgebenden Türme des Nationalparks, zu werfen. Wir zaubern uns Dinkel-Crunchies mit Kakaopulver zum Frühstück, bevor wir unseren Tagesrucksack schnappen und loslaufen. Meiner Hüfte geht es wieder besser und so spricht nichts dagegen, die 15 km Strecke anzugehen.
Während dem Aufstieg werden wir die ersten Kilometer ständig begleitet von kleinen Lawinen, die auf dem gegenüberliegenden Bergen zeitverzögert, aber mit lautem Donnern abgehen. Die Wege führen uns über Felsenmeere und schließlich durch viel Waldgebiet, über wilde Flussläufe und kleinere Bäche. Wir erreichen den “Britanico Mirador” genannten Aussichtspunkt, von dem wir eine hervorragende Aussicht über das Tal sowie die uns umgebenden Gebirgszüge bekommen. Leider stellen wir hier aber auch fest, dass der weitere Aufstieg zum höchsten Aussichtspunkt noch gesperrt ist, sodass wir einen Blick auf die Torres del Paine für heute erstmal streichen müssen.
Zurück am Campamento Italiano packen wir Zelt und die Rucksäcke zusammen, um noch eine Etappe weiter, zum “Refugio Cuernos” zu wandern. Inzwischen haben sich auch die letzten Wolken verzogen und wir laufen ohne jegliches Lüftchen in der prallen Mittagssonne durch das offene Gelände. Die 5 km lange Strecke führt uns zunächst durch buschige Landschaft und schließlich in steilen Serpentinen einige Höhenmeter bis runter an den “Lago Nordenskjöld”, wo wir am steinigen Strand eine Pause einlegen und die Füße im eiskalten Wasser etwas entspannen lassen.
Wir folgen dem jetzt am Wasser gelegenen Weg weiter bis wir nach einiger Zeit das Refugio erreichen, welches direkt am Fuße der namensgleichen Berge “Los Cuernos”, also den “Hörnern” liegt. Mit ihrem hellen Gestein und den sich dunkel abgrenzenden Spitzen erinnern sie mich allerdings eher an Muffins mit Schokoglasur als an Hörner. Auf jeden Fall sind sie sehr imposant und ich beschließe, am nächsten Morgen früh aufzustehen, um sie im Licht der aufgehenden Sonne fotografieren zu können. Das Refugio selber bietet von heißen Duschen bis zum ausgiebigen Dinner reichlich Luxus für den Wanderer. Wir beschränken uns hingegen auf eine heiße Dusche und ein kaltes Bier, bevor wir es uns im Zelt gemütlich machen.
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